Niedrige Löhne, ständige Kontrollen, schlecht klimatisierte Arbeitsräume und unzumutbare Sanitäranlagen: Das ZDF ließ in seiner Sendung „ZDFzoom“ vergangene Woche kein gutes Haar am Onlineversandhaus Zalando. Die plakative Berichterstattung des Fernsehsenders über die Misstände im Hause Zalando löste Empörung unter den Zuschauern aus. Das ZDF selbst erklärte stolz auf seiner Internetseite am 27.07., zwei Tage nach Ausstrahlung des Fernsehberichtes, man habe einen „Shitstorm“ (auf Deutsch: Empörungswelle) gegen Zalando ausgelöst. (Auf der verlinkten ZDF-Seite findet sich auch eine Kurzversion des im Original etwa halbstündigen Fernsehbeitrages). Doch wie viel ist wirklich dran an den Anschuldigungen des ZDF?
Die Kritikpunkte
Mitarbeiter des Zalando-Logistikzentrums in Großbeeren berichteten dem ZDF über schlecht klimatisierte Arbeitsräume, ständige Kontrollen durch Vorgesetzte und vor allem die schlechten Löhne von nach ZDF-Angaben 7,01 Euro pro Stunde, entsprechend dem gegenwärtigen Mindestlohn für Zeitarbeiter in Ostdeutschland. Man habe das Zalando Management um ein Interview gebeten, was von Seiten des Modehauses jedoch abgelehnt worden sei. Das ZDF schleuste daraufhin einen Lockvogel in das Unternehmen ein. Dieser gab sich selbst als arbeitssuchend aus und bekam in besagtem Zalando Logistikzentrum tatsächlich innerhalb kürzester Zeit einen Job in der Retourenabwicklung zu 7,01 Euro pro Stunde. An seinem ersten Arbeitstag fand sich der er sich unter hauptsächlich polnischen Kollegen wieder. Die Einarbeitung war bereits nach einem Tag abgeschlossen, sodass er bereits ab dem zweiten Arbeitstag voll mitarbeiten konnte. Die Arbeitsanforderungen an sich erschienen anspruchsvoll, jedoch nicht unzumutbar, auch wenn sich das ZDF redlich bemühte, diese so darzustellen. Berechtigterweise kritisiert wurden sicherlich die unzureichenden, laut Mitarbeiteraussagen verschmutzten sanitären Anlagen. Schlechte Klimatisierung konnte in den Aufnahmen, die das ZDF selbst in der Arbeitshalle machte, nicht dargestellt werden. Sollten die diesbezüglichen Angaben des interviewten Zalando-Mitarbeiters jedoch zutreffen, ist auch dies sicherlich ein sehr berechtigter Kritikpunkt.
7,01 Euro – Wirklich so schlecht?
Die schärfste Kritik übte das ZDF am Stundenlohn, der mit 7,01 Euro als deutlich zu niedrig angesehen wird. Auch in den Reaktionen der aufgebrachten Internetnutzer auf den Fernsehbeitrag wird der Stundenlohn heftig kritisiert. Diese gehen teilweise soweit, zum Boykott des Versandhauses aufzurufen oder diesem durch gezieltes mehrfaches Anklicken von Werbeanzeigen im Internet direkt finanziellen Schaden zuzufügen.
Ob es hier jedoch sinnvoll ist, Zalando direkt zu beschuldigen, ist durchaus fraglich. Der Kostendruck in der Branche ist enorm und eine Bezahlung deutlich über dem 7-Euro-Tarif ist hier selten zu finden. Ähnlich sieht die Bezahlung aber auch in vielen anderen Branchen aus, etwa in der Altenpflege, bei Friseuren oder auch bei Verkäufern im Einzelhandel – bei Jobs also, die oft eine höhere Qualifizierung erfordern als die Arbeit in der Retourenabwicklung oder Kommissionierung bei Zalando. Wenn man Kritik an diesen Lohnverhältnissen äußern möchte, dann erscheint es sinnvoller, diese an die Politik zu richten. Eine Erhöhung des Mindestlohnes für Zeitarbeiter wäre wohl die einzige Möglichkeit, den Niedriglöhnen effektiv entgegenzuwirken. Doch auch das dürfte eher nicht im Sinne der Politiker sein, denn eine Lohnsteigerung hätte unweigerlich die Entlassung zahlreicher Mitarbeiter zur Folge – nicht nur bei Zalando, sondern auch bei vielen anderen Firmen im Versandhandel, deren knapp kalkulierte Gewinnmargen eine massive Lohnsteigerung für die Mitarbeiter kaum zulassen. Schlecht bezahlte Arbeitsplätze lassen sich jedoch in Statistiken und im Wahlkampf deutlich besser verkaufen als hohe Arbeitslosenzahlen.
Ähnliches ließ sich im Fall der mittlerweile insolventen Drogeriekette Schlecker beobachten. Auch hier wurde jahrelang scharfe Kritik an zu niedrigen Löhnen und schlechten Arbeitsbedingungen geäußert. Als das Unternehmen jedoch letztendlich unter dem Kostendruck zusammenbrach, erkannten sowohl Mitarbeiter, als auch Politiker und Außenstehende, dass ein Arbeitsplatz unter nicht unbedingt optimalen Bedingungen dennoch besser ist als gar kein Arbeitsplatz.
Die Kritik des ZDF hingegen scheint sich gar nicht generell gegen schlechte Arbeitsbedingungen oder niedrige Löhne zu richten, sondern vielmehr sehr gezielt gegen die Zalando GmbH. So wurden neben zahlreichen Zalando-Mitarbeitern im Fernsehbeitrag auch Amazon-Mitarbeiter interviewt. Diese beschreiben ähnlich schlechte Verhältnisse wie bei Zalando, betonen aber eigenartigerweise explizit, dass sie gerne bei Amazon arbeiten würden, Spaß an ihrer Arbeit hätten und sich über ihren sicheren Arbeitsplatz freuten. Die Fixierung des Fernsehbeitrages auf Zalando dürfte wohl eher in der hohen Medienwirksamkeit des in der Öffentlichkeit zur Zeit sehr präsenten Unternehmens begründet sein als in speziell bei Zalando sehr schlechten Arbeitsverhältnissen.
Wie geht es weiter bei Zalando
Laut Insiderinformationen des Internetmagazins Gründerszene wird sich Zalando künftig vermutlich verstärkt auf eigene Kollektionen konzentrieren. Langfristig wird nach Informationen des Gründerszene-Autors ein Börsengang angestrebt, was den Kostendruck auf das Unternehmen weiter erhöhen dürfte. Eine Gehaltserhöhung für die Lagermitarbeiter erscheint vor diesem Hintergrund eher unrealistisch, sofern sich nicht tatsächlich von gesetzlicher Seite etwas tut. Auch das seit einigen Monaten börsennotierte Internetunternehmen Groupon hatte seit seinem Börsengang bereits mehrfach mit Berichten über schlechte Arbeitsbedingungen zu kämpfen.
Sehr guter Beitrag. Gut rausanalysiert. Respekt.
Was ist das für eine Aussage:
„…erkannten sowohl Mitarbeiter, als auch Politiker und Außenstehende, dass ein Arbeitsplatz unter nicht unbedingt optimalen Bedingungen dennoch besser ist als gar kein Arbeitsplatz.“
Wo sind wir inzwischen angekommen? Geiz ist geil und ein bisschen Verschnitt ist eben immer. Hauptsache es trifft andere und nicht einen selbst.
Unsere von Konzernen regierte Welt wird immer unerträglicher und pervertierter. Die Mantras heißen: „Wachstum und Markt“. Der Mensch zählt nicht und soll nur funktionieren.
Merkt eigentlich niemand wie krank dieses System ist, von dem wir uns ausbeuten lassen und nur nicht meckern, solange es einem selbst noch besser geht als denen in prekären Arbeitsverhältnissen?
Ich fasse es einfach nicht!